Tschüss, Essen und Trinken

Ich habe mir seit längerer Zeit mal wieder eine Ausgabe von „Essen & Trinken“ gekauft. Mit Nudelsuppen und den Foodtrends 2017 lockte mich das Heft. Doch die Ernüchterung folgte schnell. Im Laufe der Jahre hat die Zeitschrift immer mehr an Attraktivität verloren. Und das zeigt sich auch im aktuellen Heft.

Um mal mit den positiven Dingen anzufangen: Der Titel gefällt mir, mit Nudelsuppen aus acht Ländern macht man in einer Februar-Ausgabe nicht viel falsch. Das Ramen-Rezept werde ich bestimmt nachkochen, auch das Bortschsch-Rezept spricht mich an. Gelungen finde ich den Exkurs über die Rezepte, die bittere Zutaten haben. Bitterstoffe wurden und werden schon viel zu lange verdrängt, ein Thema über das ich schon seit langem einmal bloggen wollte. (Ich kann ein Podcast von der BBC empfehlen, der sich ausführlich mit Bitterstoffen auseinandersetzt.)

Aber zurück zum Heft: Dann gibt es noch einen launigen Jahresausblick auf das Jahr 2017 – was wird gekocht, gegessen getrunken – das kann man auch gut weglesen. Die große Aussage der Texte: Es geht zurück zum natürlichen, vom Urgetreide über Sauerbier bis zum qualitativ hochwertigen, aber einfachen hergestellten Produkt.

A propos Produkte: Auf über sechs Seiten werden neue Produkte vorgestellt und angepriesen – das ist mir etwas zu viel. Das mag daran liegen, dass diese Seiten ganz am Anfang des Hefts sind und ich beim blättern dachte: Wo sind denn nun Rezepte? Dann wird mir auf einer Doppelsalate Feldsalat vorgestellt. Feldsalat, echt jetzt? Ja, Feldsalat und die Redaktion hat eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Bei allen gekauften Feldsalatrosetten hingen 15 Blätter dran. Wahnsinn, denke ich mir. Und am Ende des Textes gibt es auch ein Verweis auf ein Rezept mit Feldsalat.Ich blättere also vor, auf Seite 94. Da gibt es dann: Kartoffelstampf mit Pancetta-Kümmel-Vinaigrette und pochiertem Ei. Dazu benötigt man dann auch neben 600 Gramm Kartoffeln und 30 Gramm Schalotten auch 40 Gramm Feldsalat. Ein echtes Feldsalat-Rezept!

So wie ich den Anspruch von Essen und Trinken verstehe, will man eine leicht nachzukochende, aber dennoch etwas gehobene Küche anbieten mit Zutaten, die man überall bekommt. Das wird leider nicht gut eingelöst. Viele Rezepte sind einfach wenig kreativ: Roter Heringssalat. Kürbis-Kartoffel-Stampf mit Kräuterseitlingen.Blumenkohl mit Rinderhack und Schmorzwiebeln. Vanille-Ricotta mit Orangenfilets.Hähnchenkeulen vom Blech. Vanillesauce mit Birnenkompott. Vier Variationen von Kaiserschmarren (eine davon mit Mandeln und Rosinen).

Das sind alles keine schlechten Rezepte, roter Heringssalat ist etwas sehr köstliches! Aber: Ich kaufe mir keine Kochzeitschrift um ein Rezept mit Heringssalat zu lesen mit folgendem Kommentar: „Die knackig-frische Kombination aus Hering und Roter Beete passt super zu Schwarzbrot.“ Ja, das ist mal eine Erkenntnis. Hering und Schwarzbrot passt zusammen. Käme man nie drauf.

Ich kaufe mir eine Zeitschrift, weil ich neue Ideen haben möchte, weil ich inspiriert werden möchte, aber nicht um zu lesen wie ich Birnenkompott mache.

Ich habe den Eindruck, dass die Entwicklung der vergangenen Jahre an „Essen & Trinken“ vorbeigegangen ist. Damit meine ich zum einen das Phänomen Ottolenghi, der neue Gewürze und Zubereitungsarten in die Hobbyküchen gebracht hat, Nigel Slater sei erwähnt oder ebenso das neue Interesse an asiatischer Küche. In Hamburg sprießen derzeit Vietnam-Restaurants aus dem Boden wie Pilze aus dem Waldboden an einem feuchtwarmen Herbsttag, in Berlin gibt es ja schon lange eine gute Auswahl an Vietnam-Restos. Gut, ich gebe zu, was Vietnam angeht, da bin ich voreingenommen, ich habe kürzlich drei wundervolle Wochen in dem Land verbracht, aber gerade deshalb denke ich, da gibt es noch viel zu entdecken.

Reisen ist überhaupt die besten Inspiration, wenn es um neue Ideen für die Küche geht. Und ansonsten gibt es das Internet, das zum Glück voll ist mit guten Koch- und Foodblogs, mit kreativen Anregungen und neuen Ideen.

Aber vermutlich sind die meisten Leser mit der „Essen & Trinken“ auch zufrieden, wie sie ist – wenn Leserinnen wie Frau R.(immerhin per E-Mail) schreiben, sie hätten nach der Weihnachtsbäckerei noch so viele Walnüsse über und suchen nun ein schönes Kuchenrezept mit Nüssen, ob die Redaktion da helfen könne? www.lmgtfy.com

nuss